TV-Duell Höcke – Voigt in Thüringen

Punktsieg statt KO – die Demokratie ist der Gewinner

Mit Spannung wurde dieser Schlagabtausch der Kandidaten der stärksten Parteien in Thüringen erwartet. Er blieb skandalfrei im Ablauf, mit klar herauskristallisierten Standpunkten, leichten verbalen Ausrutschern – also wenig spektakulär und trotzdem erhellend.

Meine Bemerkungen zielen auf Auftreten, Kommunikation und Wirkung, ohne eine Bewertung der inhaltlichen Aspekte zu geben.

Ring frei

In den 7 Runden (Themen Blöcken) des Verbalkampfes habe ich für mich einen Punktsieg für Voigt auf dem Zettel. Um im Bild des Sports zu bleiben: kein KO-Sieg für irgendjemanden, aber eine saubere taktische Leistung des CDU-Mannes: Er wollte auf sachlicher Basis Björn Höcke stellen, was meiner Ansicht nach bis auf wenige Ausnahmen und Ausrutscher gelungen ist.

Die einleitende Spitze des Moderatorenpaares zu seiner politischen Position nahm Höcke etwas trotzig kommentierend zur Kenntnis.

Europapolitik

Bei dem ersten Themenblock der Europäischen Union zeigte Höcke keinen Blickkontakt zur Moderation, Gegner oder Kamera, was ihn unsicher erscheinen ließ. In seinen Erläuterungen nutzte er viele Fremd- und Schlagwörter, die für das Zuschauenden nicht so schnell einzuordnen waren. Voigt hingegen nutzte zu seiner EU-Position einfache Begriffe wie „Sicherheit und Freiheit“, die sofort ankerten und vertraut war.

Höcke grätschte mit dem Begriff „Die CDU ist Wohlstandsvernichter“ dazwischen. Daraufhin entgegnete Voigt mit scheinbarer Souveränität und leicht arroganten Hauch: „Sie müssen nicht nervös sein. Bleiben Sie sachlich!“ Im Anschluss daran verlor Höcke den Faden und wiederholte dieselben inhaltlichen Vorwürfe.

Wirtschaftspolitik

Im Themenkomplex Wirtschaft verbanden sich Aussagen über Einsparungen, illegale Einwanderung, Bürgergeld, „Leistung muss sich wieder lohnen“ und ein unterstellte „Konrad Adenauer Tenor“ in den Äußerungen des CDU-Mannes. Da war für das Land Thüringen – um das es ging – nichts Konkretes zu holen.

Erste angedeutete Tiefschläge gab es bei den Themen Migration, wo gegenseitig Bemerkungen wie „Weltsozialamt Deutschland“, „die Backen hilflos aufblasen“ und „Reichskanzler Höcke“ das Niveau deutlich sinken ließen.

Migrationspolitik

Für alle gab es eine überraschende Wendung in der Runde Remigration. Höcke gab eine ganz neue Definition dieses Begriffs an: „Das Wiederzurückholen von ausgewanderten Deutschen“. Ehe das sortiert werden konnte, verging so viel Zeit, ohne dass die jeweilig erkennbaren Positionen deutlich wurden.

Das Moderatorenteam drängte nun wieder auf die verbleibenden Themen und so redeten mitunter fast alle gleichzeitig.

Eine taumelnde Runde erlebte Höcke, als er mit einem Zitat aus seinem Buch konfrontiert wurde: „Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoğuz (SPD) habe in Deutschland nichts verloren“ heißt es darin. Auf die Frage, ob sie denn Deutschland nun verlassen müsste, verwies Höcke auf den Kontext, der ihm gerade nicht präsent sei. Auf eine klare Antwort Ja oder Nein konnte er sich nicht durchringen. Diese offene Deckung nutzte Voigt sofort mit deinem rechten Aufwärtshaken: „Stehen Sie doch wenigstens zu dem, was Sie denken. Das ist doch absurd. Sie reden auf AfD-Parteitagen anders als hier.“

Erinnerungskultur

Über das besondere Datum 11.04., das mit Gedenkfeiern der Befreiung des KZ Buchenwald erinnert, echauffierte sich Höcke: Dass die AFD keine Einladung erhalten hatte ein Skandal. Sie seien schließlich ein in den Bundestag gewählte Partei und würden ignoriert werden.

Er plädierte bei dem Thema Erinnerungskultur für einen vitalen Patriotismus, bei dem „wir uns mit uns selbst befreunden sollten“- man das Schlechte aber auch nicht hinten runterfallen lassen sollte“.

So wurden noch die Blöcke Antisemitismus der Angriffskrieg auf die Ukraine thematisiert.

Koalitionsangebot

Höcke schloss seine Ausführung mit einem klaren Koalitionsangebot: „Meine Hand ist weiterhin ausgestreckt. Wir machen eine bürgerlich-konservative, patriotische Wende in Thüringen.“

Da war dann der Ringabtausch für Voigt definitiv zu Ende: „Herr Höcke, Sie sind nicht bürgerlich, Sie sind völkisch. Ich bin demokratisch, Sie sind autoritär. Bei der AfD gilt: Egal, was draufsteht, es ist immer Höcke drin. Und deswegen will ich nicht mit Ihnen zusammenarbeiten.“

Mein Fazit

2 Personen mit 2 klaren Positionen. Es war ein Aufeinandertreffen, dass Menschen einen guten Einblick in die Sichtweisen und vermuteten Handlungsoptionen der Politiker gegeben hat.

Die jeweiligen Anhänger der Lager wurden in ihren Positionen wahrscheinlich sowieso bestätigt. Die Unentschlossenen hatten Gelegenheit, sich der Ankreuzrichtung auf ihren Wahlzetteln zu nähern.

Eine Sternstunde politische Kultur war es nicht, aber ein Zeichen, dass Demokratie „Miteinander reden“ heißt – auch wenn es schwer fällt.

In 3 Artikeln bei #FOCUS online setzte ich mich mit dem Umgang mit extremen Meinungen wie bei der AfD auseinander:

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Christoph Maria Michalski

Experte bei Sat1 Frühstücksfernsehen und ARD-BRISANT

Buch Die Konflikt-Bibel

Experte FOCUS

Berater mit einer virtuellen Tour HIER

Dozent der HAUFE Akademie

Ausbildung

Diplom-Rhythmiklehrer,

Diplom-Pädagoge Erwachsenenbildung und

MSc in IKT-Management

Kurzvita

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12.04.2024

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