„Tiki, übernehmen Sie!“ – Wenn Schildkröten für Sicherheit sorgen sollen

Sexuelle Übergriffe im Freibad? Die Stadt Büren setzt auf Comics, Schildkröten und angeblich magische Sprüche. Was als Prävention verkauft wird, entlarvt ein größeres Problem: Wenn Behörden oder Unternehmen hilflos werden, flüchten sie teilweise in peinliche Symbolpolitik.

Sommer, Sonne, Sicherheitsgefühl! Mit diesem Slogan und einer bunt illustrierten Szene möchte die Stadt Büren auf sexuelle Übergriffe im Freibad aufmerksam machen. Das Motiv: Eine Frau begrapscht einen Jungen mit dunklerer Hautfarbe und Beinprothese. Dazu spricht eine Schildkröte mit Basecap und Badeshorts. Kein Witz. Die Intention dahinter? Gut gemeint. Wirklich. Der Wille, sexualisierte Gewalt zu thematisieren, verdient Respekt.

Aber der Weg dorthin ist… ungewöhnlich. Man wünscht sich fast, es wäre ein Beitrag aus dem Satiremagazin Postillon. Ist es aber nicht. Es ist ein offizielles Plakat, das aussieht, als hätte jemand alle Reizwörter der Gegenwart – Diversität, Inklusion, Empowerment – in den Mixer geworfen und anschließend mit Buntstiften illustriert.

Ist das eine mutige Darstellung – oder eine hilflose Überkorrektur?

Die Frau als Täterin, das schwarze Kind mit Prothese als Opfer – das ist keine Spiegelung der Realität, sondern ein Präventionsmärchen im Disney-Look. Vielleicht dachte man: „Wir machen mal alles anders als die Klischees – dann kann uns niemand was vorwerfen.“

Doch genau dieser panische Wunsch, bloß niemandem auf den Schlips zu treten, führt ins kommunikative Nirgendwo. Die Darstellung wirkt wie ein Diversity-Checkliste, die im Rathausflur abgehakt wurde: Frau? Check. PoC? Check. Behinderung? Check. Tier mit Sonnenbrille? Sicher ist sicher! Dass dadurch jede Zielgruppenansprache verwässert wird wie Chlor im Becken – geschenkt. Hauptsache, man sieht auf dem Papier mutig aus. Die Realität bleibt draußen. So wie der gesunde Menschenverstand.

Wie wirkt dieses Plakat auf Badegäste mit Migrationshintergrund?

Anstatt Menschen mit Migrationshintergrund aktiv anzusprechen, serviert man ihnen eine pseudopädagogische Illustration mit Betroffenheits-Kleber. Der Junge auf dem Plakat ist das perfekte Opfer – aber kein reales Gegenüber. Kein Dialog, keine Erklärung, keine kulturelle Einbettung. Dafür ein stilles Signal: „Wir haben euch im Blick – aber eher so aus der Distanz, wie ein Biologielehrer auf Klassenfahrt.“

Was als Zeichen gegen Ausgrenzung gedacht war, wirkt wie eine Mischung aus Misstrauen und PR-Angstschweiß. Wer sich gemeint fühlen sollte, erkennt sich nicht wieder. Und wer wirklich etwas ändern will, steht fassungslos vor Tiki, dem emotional unterstützten Reptil. So viel Aufwand – so wenig Wirkung.

Wie empfinden Frauen diese Kampagne?

Frauen, die tagtäglich mit Alltagssexismus, Belästigung oder Unsicherheit im öffentlichen Raum konfrontiert sind, dürften beim Anblick des Plakats spontan an akute Realitätsflucht denken. Eine Frau als Täterin? In der Theorie möglich. In Freibädern? Eher Stoff für RTL2-Dokus um 23:45 Uhr. Statt Solidarität gibt es also Umerziehungs-Comic und moralischen Zuckerguss. Kein Wort über Hilfsangebote, keine Info zu Ansprechpartnerinnen. Dafür: „Sag meinen Namen: Tiki!“ Sorry, aber das klingt eher nach einem schlechten Rap-Song als nach Krisenintervention.

Frauen sehen sich einmal mehr allein gelassen – nicht ernst genommen, sondern bunt verpackt und kindgerecht verfehlt. Empowerment sieht anders aus. Vielleicht weniger knallig, dafür echter.

Und wie reagieren Männer auf das Plakat?

Viele Männer dürften das Gefühl bekommen, sie spielen in einem Theaterstück mit, dessen Skript sie nie gesehen haben. Einerseits: Endlich mal nicht der Täter! Andererseits: Was zur Hölle passiert hier?! Statt Aufklärung erleben sie ein Kunstwerk, das irgendwo zwischen Gender-Manifest und Wandzeitung aus dem Offenen Ganztag changiert. Die Ironie: Nach einem realen Übergriff durch eine Frau soll nun das gesamte Bad unter Generalverdacht stehen – aber natürlich ohne jemanden zu benennen. Stattdessen grinst eine Schildkröte.

Männer, die sich korrekt verhalten, fühlen sich wie nach einem Bewerbungsgespräch bei der Ampelkoalition: irgendwie verdächtig, irgendwie fehl am Platz – aber bloß nicht nachfragen. Nicht, dass man Tiki weckt.

Was bleibt – und was hätte die Stadt Büren besser machen können?

Was bleibt, ist das Gefühl, man habe sich bemüht – aber leider mit der kreativen Leitung eines Verkehrskaspars auf dem Kindergeburtstag. Professionelle Kampagne? Fehlanzeige. Zielgruppengerechte Ansprache? Eher nicht. Stattdessen: Ein Plakat, das aussieht, als hätte man es 1991 mit einem Overheadprojektor in Verkehrserziehung gezeigt – und dann aus Angst vor Shitstorms 2025 noch schnell eine Schildkröte dazugemalt.

Und dann dieser Satz

„Wenn du dich unwohl fühlst, hast du das Recht, dir Hilfe zu holen. Sag meinen Namen: Tiki!“

Ernsthaft? In einer Notsituation soll ein Kind „Tiki“ rufen – und dann? Kommt die Schildkröten-Taskforce aus dem Chlorbecken? Reagiert der Bademeister mit dem Codewort aus dem Kindermagazin? Das ist, als würde man bei einem Wohnungsbrand rufen: „Hol Picke-Packe“ – und hoffen, dass jemand das Konzept versteht.

Das ist nicht niedlich. Das ist gefährlich naiv. Ein Hilferuf braucht klare Worte, echte Ansprechpersonen und einen definierten Ablauf – keinen erfundenen Comic-Kumpel mit Sonnenbrille.

Man hätte moderne Tools der KI nutzen können, Kommunikationsexperten oder einfach mal jemanden mit einem Mindestmaß an Krisenpädagogik. Das ist nicht Aufklärung – das ist Sommerferienprogramm mit moralischem Betreuungsauftrag.

Was hätte die Stadt tun können?

  • Klare Sprache.
  • Echte Betroffene einbeziehen.
  • Multiplikator*innen im Bad schulen.
  • Kampagne mit kultureller Sensibilität.
  • Und auf die Schildkröte verzichten.

Denn Respekt entsteht nicht durch Maskottchen. Sondern durch Menschen, die hinsehen, zuhören – und handeln.

Eine Quelle ist FOCUS online.

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Christoph Maria Michalski

Experte bei Sat1 Frühstücksfernsehen und ARD-BRISANT

Buch: Streiten mit System: Wie du lernst, Konflikte zu lieben

 Experte FOCUS online mit 3,9 Millionen Zugriffen

Berater mit einer virtuellen Tour HIER

Ausbildung

Diplom-Rhythmiklehrer

Diplom-Pädagoge Erwachsenenbildung und

MSc in IKT-Management

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03.07.2025

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