Ironie und Übertreibungen
Sie brauchen einen gemeinsamen Erfahrungsschatz als Grundlage. Das zeigen zum Beispiel Witze über Bratscher, die nur liebevoll verstanden werden, wenn man sich in der Musikszene auskennt.
Zweiter entscheidender Faktor dabei ist das Timing und der Ort: Auf der Bühne, vor freiwillig zahlendem Publikum, kann ich meinen kruden Stil durchziehen. Die Missverständnisse sind aufgrund von übereinstimmendem Angebot und Nachfrage relativ klein. Das in den Medien anzuwenden, die ihr Geld mit Klicks verdienen, ist das weniger zu steuern und gänzlich naiv. Zumal der Zeitgeist sich gedreht hat- Am Beispiel von Blondinenwitzen und Blackfacing aktuell sehr gut nachvollziehbar. Gut so!
Wenn der das sagt!
Es schlägt weiterhin die sogenannte Kompetenzvermutung erschwerend zu: Weil Professor Boerne etwas sagt, muss das nicht heißen, dass die Aussagen seines Schauspielers staatstragend sind. Da werden Rolle und Person miteinander vermischt. Dieses Phänomen zeigt sich leider auch, wenn Darstellende auf die Musikerbühnen drängen und meinen, Musik in ähnlicher Qualität machen zu können. Hut ab für den Mut, aber wenn ich mich als Schauspieler auf den Brettern diese Welt versuchen würde, gäbe ich einen Dilettant ab–Verhindert dies bitte!
Ausübender oder Gestalter?
Ein weiterer, zu beachtender Faktor ist, dass ein Schauspielender keine Verantwortung Film für das gesamte Bild und die Komplexität des Filmes übernimmt. Dafür gibt es den Regisseur und ein Schauspielender folgt seinen Anweisungen: „Jetzt mit Leib und Seele ordinär fluchen“, damit drei Szenen weiter, gewisse Zusammenhänge verdeutlicht, beziehungsweise verständlicher, werden. Damit ist es ein Handwerk, teilweise auch Kunst. Mehr nicht!
Omnipotenz
Mittlerweile erklären Schauspielende auch in online Konferenzen, wie man seinen Status als Führungskraft dabei behält. Wenn ich als Zauberer auf der Bühne auftrete, geschieht es im Hochstatus. Die Zahlenden haben schon vorher eine erstaunliche Bewunderung für mein Handwerk und erwarten das so von mir. Also bediene ich das oder werde ausgebuht. Eine Führungskraft, die einen 55 jährigen Mitarbeitenden kündigt, hat in meiner Wertewelt kein akutes Problem mit Status. Das soll emphatisch und auf Augenhöhe passieren- also komplett anders: ein anderes Setting, andere Instrumente, weil das Ziel ein anders ist. Was will mir da ein Schauspielender helfen? Außer, wenn ich als Führungskraft schauspielere.
„Wenn die Sonne der Kunst niedrig steht, werfen selbst Zwerge Schatten“. Dieses fälschlicherweise Karl Kraus zugeschriebene Zitat wirft ein weiteres Schlaglicht auf das beschriebene Phänomen.
Worauf will der Autor jetzt hinaus?
Die Aktion der über 50 Schauspielenden, mit einem dramaturgischen Mittel die Bevölkerung wach zu rütteln, zum Nachdenken anzuregen, ist vom Timing daneben und zeigt eine mangelnde Sensibilität für die aktuelle Stimmungslage. Ironie ist ein schmaler Grat und in dieser angestrengten Situation hoch risikoreich, auf der Schneide auszugleiten. Autsch- passiert, leider!
Gerade habe ich in der Sportschau einen Werbespot eine Lotterie gesehen, wo einer der besagten Schauspieleden im Luxus schwelgt und damit Menschen zum Glücksspiel animiert. Ach so, über Timing hatte ich ja schon gesprochen. Status daneben!
Jeder Mensch hat das Recht seine Meinung frei zu äußern. Es ist meiner Ansicht nach eine moralische Pflicht, wie Reichweite und den Bekanntheitsgrad für konstruktives, mutiges und Menschen erfreuendes einsetzt werden. Chance dahin!
Mein Resümee: Hättet ihr geschwiegen, wäret ihr gute Schauspielende geblieben!
Vorhang bitte!