Mediation – die große Enttäuschung

Warum ist Mediation angeblich die Wunderwaffe, die niemand nutzt?

Es könnte so einfach sein. Menschen geraten in Konflikt, setzen sich an einen Tisch, sprechen miteinander – und finden eine Lösung. Keine ruinösen Gerichtsverfahren, keine jahrelangen Machtkämpfe, keine verbrannten Erde. Stattdessen Mediation: ein Verfahren, das verspricht, Konflikte nachhaltig, fair und effizient zu lösen.

Aber wenn es so einfach ist, warum tun wir es dann nicht? Warum eskalieren Nachbarschaftsstreitigkeiten in jahrelangen Fehden? Warum zerren Unternehmen ihre besten Mitarbeiter vor Arbeitsgerichte, anstatt ihre Konflikte vernünftig zu regeln? Warum landen Familien bei Testamentsauseinandersetzungen vor Gericht, bis das Erbe für Anwaltskosten draufgeht?

#Mediation ist kein Hexenwerk. Doch sie bleibt eine Randerscheinung. Das liegt nicht daran, dass sie nicht funktioniert. Es liegt daran, dass wir Menschen nun mal sind, wie wir sind. Lassen Sie uns fünf unbequeme Fragen stellen – und endlich ehrlich beantworten.

Lieben wir den Kampf mehr als die Lösung?

Stellen Sie sich zwei Kinder vor, die sich um ein Spielzeug streiten. Keiner will nachgeben. Nicht, weil er das Spielzeug wirklich braucht, sondern weil es ums Prinzip geht. Das gehört mir! – Nein, mir! Irgendwann kommt ein Erwachsener und entscheidet: „Gib’s deinem Bruder!“ Das eine Kind ist triumphierend, das andere wütend. Der Konflikt scheint gelöst – ist er aber nicht.

Willkommen in der Welt der Erwachsenen, wo genau dieses Prinzip jeden Tag in Gerichtssälen, Chefetagen und Ehen zum Tragen kommt. Wir wollen gewinnen. Nicht verhandeln. Nicht teilen. Nicht einsehen, dass der andere vielleicht auch Recht hat. Und vor allem: Wir wollen das letzte Wort haben.

Mediation setzt voraus, dass man sich bewegen will. Dass man nicht darauf besteht, den anderen zu besiegen, sondern mit ihm zu einer Lösung kommt. Und genau hier liegt das Problem: Viele wollen keine Lösung, sie wollen Gerechtigkeit – und Gerechtigkeit bedeutet für sie: Der andere muss verlieren.

Das Rechtssystem unterstützt diese Logik. Gerichte entscheiden, wer im Recht ist und wer nicht. Ein Urteil ist schwarz-weiß. Klar, eindeutig, ein für alle Mal. Mediation dagegen ist grau. Sie verlangt, dass man auf den anderen zugeht, dass man sich selbst hinterfragt, dass man nicht nur fordert, sondern auch gibt. Und das ist für viele unvorstellbar.

Ist Mediation nur etwas für „Harmonie-Fanatiker“?

„Mediation? Das ist doch dieser Kuschelkurs, wo man sich gegenseitig seine Gefühle erzählt und dann alle Freunde sind.“

Ein weitverbreitetes, aber völlig falsches Bild. Mediation ist nicht „nett“. Sie ist keine Therapie, kein Wohlfühl-Workshop und kein Ort für rührselige Versöhnungsgeschichten. Mediation kann knallhart sein. Sie zwingt Menschen dazu, ihre Positionen zu durchdenken, ihre Interessen zu benennen und sich einer echten Lösung zu stellen.

Wer sich auf Mediation einlässt, muss bereit sein, Klartext zu reden. Keine juristischen Nebelkerzen, keine passiv-aggressiven Vorwürfe, keine Machtspielchen. Stattdessen: Was willst du? Warum willst du es? Und wie können wir beide damit leben?

Doch genau das ist unbequem. Sich zu verklagen ist leichter. Ein Gerichtsurteil erfordert keine Eigenverantwortung. Man reicht seine Sicht der Dinge ein und wartet darauf, dass jemand anderes entscheidet.

Mediation verlangt mehr. Sie verlangt Mut. Sie verlangt, sich mit dem „Feind“ an einen Tisch zu setzen. Sie verlangt, dass man Dinge akzeptiert, die man nicht hören will. Und vor allem verlangt sie, dass man nicht nur auf sein eigenes Recht pocht, sondern die Perspektive des anderen mitdenkt. Und das liegt uns nicht gerade im Blut.

Warum gibt es keine einheitliche Ausbildung für Mediatoren?

In Deutschland gibt es eine Approbation für Ärzte, eine Meisterprüfung für Handwerker, eine staatliche Zulassung für Steuerberater – aber für Mediatoren? Nichts. Jeder kann sich so nennen.

Das bedeutet: Während einige Mediatoren exzellente Fachleute sind, die jahrelange Ausbildung und Erfahrung mitbringen, gibt es auch solche, die nach einem Wochenendkurs glauben, sie könnten jetzt jedes Konfliktgespräch moderieren.

Was passiert also? Menschen haben eine schlechte Erfahrung mit Mediation, weil sie an den Falschen geraten. Und was tut unser Gehirn dann? Es verallgemeinert. „Mediation bringt nichts!“ heißt es dann – und das Verfahren hat verloren, bevor es überhaupt eine Chance hatte.

Ein Beruf, der darauf basiert, Menschen durch die schwierigsten Gespräche ihres Lebens zu führen, sollte eine fundierte Ausbildung verlangen. Und zwar eine, die über Rhetorik-Workshops und Selbstfindungstrips hinausgeht.

Warum drängen sich Juristen als Mediatoren auf – und warum ist das ein Problem?

Anwälte sind geschult, das Gesetz zu kennen, Schlupflöcher zu finden, Argumente aufzubauen und ihre Mandanten zu „gewinnen“ zu führen. Aber Mediation hat mit Gewinnen nichts zu tun.

Trotzdem gibt es eine regelrechte Schwemme an „Rechtsanwälten mit Mediationsausbildung“. Es klingt lukrativ, denn viele Unternehmen suchen „Mediatoren mit juristischem Hintergrund“. Die Frage ist nur: Ist juristisches Denken für Mediation wirklich hilfreich?

In einem Gerichtsprozess geht es um Fakten, Beweise und Gesetze. In einer Mediation geht es um Interessen, Bedürfnisse und Kommunikation. Zwei völlig unterschiedliche Welten.

Natürlich gibt es exzellente Juristen, die sich zu brillanten Mediatoren entwickelt haben. Doch es gibt ebenso viele, die in ihrem gewohnten Mindset bleiben: „Recht haben“ statt „verstehen“. Und das ist definitiv für eine echte Mediation.

Wie schwer ist es wirklich, allparteilich zu bleiben?

Ein echter Mediator darf keine Seite bevorzugen – auch nicht insgeheim. Und das ist schwerer, als es klingt.

Menschen urteilen. Sofort. Instinktiv. Sie hören eine Geschichte und haben innerhalb von Sekunden eine Meinung. Der Mediator darf genau das nicht. Er muss beiden Seiten dieselbe Wertschätzung entgegenbringen, egal wie einseitig die Argumente erscheinen.

Dazu kommt: Viele Mediatoren rutschen unbewusst in die Rolle eines Beraters oder Coaches. Sie wollen helfen, sie wollen steuern, sie wollen „lösen“. Doch eine echte Mediation bedeutet nicht, Lösungen vorzugeben, sondern die Parteien dahin zu führen, selbst eine zu finden.

Das erfordert jahrelange Übung. Jahrelange Kontrolle über die eigene Sprache, die eigene Mimik, die eigene Haltung. Es ist eine Kunst – und viele unterschätzen sie gewaltig.

Mediation könnte so viel mehr sein. 
Aber wir lieben unsere Konflikte zu sehr, 
um sie wirklich zu lösen.

P.S. Sie finden in meinen Veröffentlichungen und Medien nie das Wort Mediation für meine Arbeit. Warum ist eine Geschichte, die ich ein anderes Mal erzähle.

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Christoph Maria Michalski

Experte bei Sat1 Frühstücksfernsehen und ARD-BRISANT

Buch Die Konflikt-Bibel

Experte FOCUS online mit 3,5 Millionen Zugriffen

Berater mit einer virtuellen Tour HIER

Dozent der HAUFE Akademie

Ausbildung

Diplom-Rhythmiklehrer

Diplom-Pädagoge Erwachsenenbildung und

MSc in IKT-Management

Kurzvita

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senior@christoph-michalski.de

02.02.2025

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