Hobby Horsing – Wenn die Gesellschaft sich in die eigene Tasche reitet

Die große Selbsttäuschung: Wenn Inszenierung Realität ersetzt

Jede Gesellschaft braucht Mythen, um sich selbst zu erklären. Die alten Griechen hatten Heldenepen, wir haben Social Media. Und genau da wird es spannend: Hobby Horsing funktioniert nach denselben Mechanismen wie Instagram & Co.

Es geht nicht um das eigentliche Können, sondern um die beste Darstellung. Wer den überzeugendsten Galopp inszeniert, gewinnt. Ob man tatsächlich reiten kann, spielt keine Rolle – Hauptsache, es sieht gut aus. Diese Dynamik erleben wir überall: In Unternehmen, in der Politik, im täglichen Leben. Entscheidungen werden nicht mehr nach Inhalt, sondern nach Wirkung getroffen. Die Frage ist nicht, wer die besten Lösungen hat, sondern wer sie am überzeugendsten verkauft.

Psychologisch betrachtet ist das kein Zufall. Der Mensch neigt zur kognitiven Verzerrung, die ihn dazu bringt, Oberflächenreize wichtiger zu nehmen als tiefere Zusammenhänge. Lieber ein charismatischer Anführer als ein langweiliger, aber kompetenter Stratege. Lieber eine schicke Präsentation als eine durchdachte Strategie. Hobby Horsing ist die perfekte Metapher für diese Ära der Illusionen.


Die große Flucht: Warum wir uns lieber mit Holzpferden beschäftigen als mit der Realität

Stellen wir uns vor, ein Hobby Horsing-Reiter galoppiert mit vollem Ernst durch eine Turnhalle. Nun stellen wir uns vor, dass die Welt um ihn herum gerade mit echten Krisen kämpft: Klimawandel, soziale Ungleichheit, politische Spannungen. Das Bild wirkt absurd – und doch ist es eine wunderbare Analogie für unsere Gesellschaft.

Wir stecken mitten in einer Zeit der Unsicherheit. Alte Gewissheiten verschwinden, die Welt scheint komplexer und unkontrollierbarer denn je. Was tun wir? Wir flüchten uns in harmlose, überschaubare Probleme. Hobby Horsing ist eine Manifestation dieses Fluchtinstinkts. Es ist kontrollierbar, es ist sicher, es gibt klare Regeln. Ein Steckenpferd stellt keine unangenehmen Fragen, es widerspricht nicht, es verlangt keine Lösungen für den realen Wahnsinn da draußen.

Diese Mechanismen sind tief in unserer Psyche verankert. Der Mensch hat einen angeborenen Eskapismus, eine Fähigkeit, unangenehme Realität auszublenden und sich auf kleinere, lösbare Herausforderungen zu konzentrieren. Dies hat evolutionär sogar Vorteile: Wer sich ständig von Weltuntergangsszenarien lähmen lässt, handelt nicht mehr. Doch was passiert, wenn Eskapismus zur dauerhaften Strategie wird? Wenn wir uns so sehr auf unsere selbstgebauten Hindernisse konzentrieren, dass wir die echten nicht mehr sehen?


Der große Markt: Wie der Kapitalismus selbst das Absurde vergoldet

Kein gesellschaftlicher Trend bleibt lange unschuldig. Was einst eine kleine Nischenbewegung war, ist längst ein boomender Markt. Designer-Steckenpferde für mehrere hundert Euro, spezielle Trainingscamps, individuelle Hufbeschläge für ein Pferd, das nur im Kopf existiert – wer dachte, der Kapitalismus würde irgendwann an seine Grenzen stoßen, der hat Hobby Horsing unterschätzt.

Hier zeigt sich eine weitere faszinierende Eigenschaft unserer Zeit: Wir können aus allem ein Geschäftsmodell machen. Egal, wie absurd eine Idee ist, sie lässt sich monetarisieren. Wir kaufen künstliche Intelligenzen, um uns beim Denken zu helfen, wir zahlen für virtuelle Güter, die es nicht gibt, und jetzt investieren wir in High-End-Steckenpferde.

Psychologisch steckt dahinter eine tiefe menschliche Sehnsucht nach Zugehörigkeit. Wir wollen Teil einer Bewegung sein, wir wollen Statussymbole – auch wenn sie aus Holz sind. Das Kaufen von Spezial-Steckenpferden ist nichts anderes als der neue Porsche für die Generation Social Media. Es geht nicht darum, was es kann. Es geht darum, was es über uns sagt.


Der große Sprung: Wie wir wieder auf den Boden der Tatsachen kommen

Hobby Horsing ist nicht das Problem – es ist ein Symptom. Die wahre Frage ist: Warum beschäftigen wir uns so bereitwillig mit Inszenierungen, Eskapismus und konsumierbaren Trends, während die echten Herausforderungen ungelöst bleiben? Und vor allem: Wie kommen wir aus dieser Spirale heraus?

1. Weniger Show, mehr Substanz

Ob in der Arbeitswelt, in der Politik oder im privaten Leben – wir müssen wieder lernen, echte Kompetenz von bloßer Inszenierung zu unterscheiden. Es reicht nicht, gut auszusehen, man muss auch etwas können.

2. Spaß ja, aber nicht als Selbstbetrug

Hobbys und kreative Ausdrucksformen sind wichtig. Doch wenn wir anfangen, unsere Zeit mit künstlichen Problemen zu füllen, um den echten auszuweichen, ist es Zeit für eine Kurskorrektur.

3. Den Mut haben, die echten Hürden zu nehmen

Es ist bequemer, über eine selbstgebaute Hindernisstrecke zu springen als über die Herausforderungen des Lebens. Aber es ist die falsche Richtung. Wir müssen den Blick heben – auf die echten Probleme, die echten Lösungen, die echte Zukunft.


Fazit: Wer die Zügel wirklich in der Hand hat

Hobby Horsing ist mehr als nur ein kurioser Trend – es ist eine Momentaufnahme unserer Gesellschaft. Wir inszenieren Leistung, ohne sie wirklich zu erbringen. Wir flüchten uns in Ersatzprobleme, weil die echten zu komplex erscheinen. Und wir verwandeln alles, selbst das Absurde, in eine konsumierbare Ware.

Aber die gute Nachricht ist: Wir haben es in der Hand, das zu ändern. Die Frage ist nicht, ob wir Hobby Horsing verbieten sollten – das wäre genauso absurd. Die Frage ist, wann wir wieder den Mut finden, echte Herausforderungen anzugehen, anstatt über selbstgebaute Hindernisse zu springen.

Denn irgendwann müssen wir uns entscheiden: Bleiben wir auf unserem Steckenpferd – oder nehmen wir die Zügel des Lebens wirklich in die Hand?

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Christoph Maria Michalski

Experte bei Sat1 Frühstücksfernsehen und ARD-BRISANT

Buch Die Konflikt-Bibel

Experte FOCUS online mit 3,7 Millionen Zugriffen

Berater mit einer virtuellen Tour HIER

Dozent der HAUFE Akademie

Ausbildung

Diplom-Rhythmiklehrer

Diplom-Pädagoge Erwachsenenbildung und

MSc in IKT-Management

Kurzvita

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28.02.2025

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