Die Symbolkraft des Kniefalls: Was Söder von Brandt lernen kann

Der Kniefall von Markus Söder vor dem Denkmal der Helden des Warschauer Ghettos sorgte für erhebliche Diskussionen in Deutschland. Die Geste, die er während eines offiziellen Besuchs in Warschau vollzog, wurde von vielen als Versuch gewertet, an die historische Symbolkraft von Willy Brandts legendärem Kniefall von 1970 anzuknüpfen.

Doch statt Respekt zu ernten, zog die Aktion massive Kritik auf sich. Söders Kniefall wurde als inszeniert und oberflächlich wahrgenommen – ein Symbol, das durch den Kontext und die Inszenierung seiner Kraft beraubt wurde.

Claudia Roth, die Kulturstaatsministerin, bezeichnete den Vorgang als einen „absoluten Tiefpunkt“, während andere Kommentatoren ihm vorwarfen, ein tief emotionales Zeichen wie den Kniefall für PR-Zwecke zu instrumentalisieren.

Die Wahl, mit einem Knie niederzuknien, statt wie Willy Brandt mit beiden, ist körpersprachlich bemerkenswert, da sie die symbolische Tiefe und Demut der Geste minderte. Warum ist das so?

 

Willy Brandt: Demut als Staatsmann

Willy Brandts Kniefall von 1970 vor dem gleichen Denkmal war kein geplanter Akt für die Kameras, sondern eine spontane Geste tiefer Reue und Verantwortung. Als Bundeskanzler eines Landes, das sich mit den Verbrechen der Nazi-Diktatur konfrontiert sah, kniete Brandt vor den Opfern des Warschauer Ghettos nieder. Die Symbolkraft seiner Handlung lag in der absoluten Hingabe: Mit beiden Knien am Boden übertrug Brandt nicht nur körpersprachlich, sondern auch psychologisch eine Botschaft der Demut, Verletzlichkeit und Reue.

Körpersprachlich signalisiert der Kniefall auf beiden Knien die maximale Reduktion der eigenen Macht. Es ist ein Zustand der Unterwerfung, der im Kontext von Brandts Geste nicht als Schwäche, sondern als moralische Größe wahrgenommen wurde. Psychologisch betrachtet forderte er nicht Vergebung für sich selbst, sondern übernahm Verantwortung für die gesamte deutsche Nachkriegsgesellschaft. Dieses Eingeständnis von Schuld auf höchster Ebene war ein historischer Meilenstein, der weltweit Anerkennung fand.

Söders Kniefall, hingegen, wirkte durch die begleitende Social-Media-Inszenierung und den anschließenden Besuch eines Weihnachtsmarktes weniger durchdacht. Die Authentizität einer solchen Geste, hängt untrennbar von der emotionalen Tiefe, dem Kontext und der Zurückhaltung ab. Hier ist bei Söders Akt eine gewisse Skepsis angebracht

Die universelle Bedeutung des Kniefalls

Der Kniefall hat in der Menschheitsgeschichte und in verschiedenen Kulturen stets eine vielschichtige Bedeutung getragen.

  • Im Mittelalter war der Kniefall vor einem Monarchen ein Zeichen der Unterwerfung und Treue. Ein Vasall kniete, um seine Loyalität auszudrücken und Schutz zu erbitten. In diesem Kontext stand er für klare Hierarchien und die Macht des Herrschenden.
  • In religiösen Traditionen ist der Kniefall ein Akt der Demut und Hingabe. Im Christentum symbolisiert er Buße und die Anbetung Gottes, im Islam erreicht die Geste des Niederwerfens während des Gebets ihre höchste Form von Hingabe an Allah. Im Hinduismus und Buddhismus wird das Knien oft mit Dankbarkeit oder spiritueller Einkehr verbunden.
  • In asiatischen Kulturen, etwa in Japan und Korea, zeigt das Knien (z. B. in der „Seiza“-Position) Respekt und Höflichkeit. Das „Dogeza“, ein Kniefall, bei dem der Oberkörper fast den Boden berührt, wird als tiefste Form der Entschuldigung verstanden.
  • In afrikanischen Gesellschaften ist das Knien vor Ältesten ein Zeichen von Respekt und Dankbarkeit, vor allem in traditionellen Zeremonien.
  • Moderne Protestformen, wie der „Take a Knee“-Protest von Colin Kaepernick, zeigen eine andere Dimension: Hier steht der Kniefall nicht für Unterwerfung, sondern für den stillen Protest und die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit.

Der Kniefall: Ein universelles, aber kontextabhängiges Symbol

Der Kniefall ist eine universelle Geste mit unterschiedlichsten Bedeutungen – Demut, Reue, Respekt, Hingabe oder Protest. Die Wirkung dieser Geste hängt jedoch entscheidend vom Kontext und der Authentizität ab. Willy Brandts Kniefall bleibt ein zeitloses Beispiel für die Kraft einer körpersprachlichen Botschaft, die nicht nur Worte, sondern ganze politische und gesellschaftliche Haltungen transportiert.

Markus Söder wollte an diese Symbolkraft anknüpfen, jedoch zeigt sein Beispiel, dass eine solche Geste mehr erfordert als den körperlichen Akt. Sie verlangt nach einem Kontext, der die Tiefe der Botschaft verstärkt, und nach einer Haltung, die ohne Inszenierung auskommt. Ein Kniefall ist kein politischer Schnellschuss, sondern eine moralische und emotionale Verpflichtung, die über den Moment hinauswirken muss.

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Christoph Maria Michalski

Experte bei Sat1 Frühstücksfernsehen und ARD-BRISANT

Buch Die Konflikt-Bibel

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Dozent der HAUFE Akademie

Ausbildung

Diplom-Rhythmiklehrer,

Diplom-Pädagoge Erwachsenenbildung und

MSc in IKT-Management

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15.12.2024

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