Warum gibt die Bundesagentur 243 Millionen Euro für Beratung aus?
Die offizielle Antwort lautet: um Prozesse zu verbessern, Strukturen zu verschlanken und Digitalisierung voranzutreiben. Die inoffizielle Wahrheit ist weniger schmeichelhaft: Die BA kauft sich Veränderung, weil sie sie selbst nicht hinkriegt.
Eine Viertelmilliarde Euro in zehn Jahren – das klingt nach Aufbruch, ist aber oft nur kosmetische Systempflege. Während Berater Strategiepapiere schreiben, kämpft die Basis mit Formularen, Software-Fehlern und Anträgen, die digital heißen, aber analog behandelt werden.
Kurz gesagt: Die BA hat externe Expertise engagiert, um intern weiter so zu arbeiten wie bisher – nur teurer.
Welche Reformen haben wirklich etwas verändert?
Ja, es gab Fortschritte: Online-Anträge, Videoberatung, Jobbörse-App, Matching nach Kompetenzen. Alles sinnvoll, alles überfällig.
Aber der Kern blieb unberührt – eine Kultur, die den Menschen als Verwaltungsobjekt betrachtet. Digitalisierung wurde zur Fassade eines analogen Denkens.
Wer bei der BA anruft, bekommt oft denselben Satz wie vor 20 Jahren – nur per Headset. Der Unterschied ist technisch, nicht menschlich.
Der Eindruck: Die BA hat die Oberfläche modernisiert, aber die Haltung konserviert.
Warum bleibt die Arbeitslosenzeit trotzdem so lang?
Weil sich Effizienz nicht durch Technik, sondern durch Vertrauen einstellt.
Die Arbeitslosenquote liegt seit Jahren bei etwa fünf bis sechs Prozent. Die Langzeitarbeitslosigkeit bewegt sich im Bereich von etwa einer Million Menschen. Die volkswirtschaftlichen Kosten der Arbeitslosigkeit beliefen sich 2023 auf rund 67,5 Milliarden Euro.
Wenn eine Behörde Milliarden verwaltet und 243 Millionen in Beratung steckt, müsste irgendwo ein messbarer Erfolg auftauchen. Tut er aber nicht.
Das Urteil: Die BA bekämpft nicht die Arbeitslosigkeit – sie organisiert ihren Ablauf.
Wie menschlich ist eine Behörde, die Hilfe gewähren soll?
Dienstanweisungen vor Menschenkenntnis, Formulare vor Fingerspitzengefühl – das ist die DNA der BA.
Ich habe 2003 als Niederlassungsleiter eines Bildungsträger die Einführung der Bildungsgutscheine miterlebt: ein bürokratischer Albtraum mit pädagogischem Etikett. Was als individuelle Förderung gedacht war, wurde zum Zahlenfriedhof. Menschen, die Unterstützung brauchen, werden zu Antragspaketen mit Frist.
Die Behörde liebt Strukturen – aber nicht Brüche. Sie versteht Zielgruppen, aber keine Biografien. Und solange Erfolg an Prozessqualität statt an Schicksalen gemessen wird, bleibt das Wort „Agentur“ eine bittere Ironie.
Was hat Andrea Nahles tatsächlich verändert?
Als Nahles bis 2027 Bundesministerin für Arbeit und Soziales war, forderte sie einen neuen Geist: „Hier wird mir geholfen, nicht ich bin Bittsteller.“
Das klang nach Kulturwandel – und blieb Rhetorik. Ja, Servicezentren wurden umgebaut, Prozesse gestrafft, digitale Anträge vereinfacht. Aber die Grundhaltung, Menschen erst zu prüfen, bevor man ihnen glaubt, blieb.
Nahles hat verstanden, dass Bürger Würde wollen, keine Belehrung. Doch das System hört schlecht. Es bleibt misstrauisch, selbst gegenüber denen, die helfen wollen.
Kurz gesagt: Die Chefin spricht Menschlichkeit, der Apparat antwortet mit Formular 39B.
Was müsste wirklich passieren?
Die BA braucht keine weiteren Beratungsverträge, sondern einen Schuss Realitätssinn. Wer wirklich helfen will, muss Nähe zulassen, Verantwortung abgeben und Bürokratie aushalten, die nicht perfekt, aber menschlich ist.
Weniger Bericht, mehr Beziehung. Weniger Kontrolle, mehr Kompetenz. Weniger Paragraf, mehr Pragmatismus.
Solange die BA Wandel einkauft, statt ihn zu leben, wird sich nichts ändern. Sie wird weiter modern wirken und alt handeln.
Die eigentliche Frage lautet also nicht, wie viel Beratung sie braucht – sondern wann sie anfängt, sich selbst zu glauben.
Zwanzig Jahre Reformen, Digitalisierung, Beratung, neue Führung – und doch ist die Bundesagentur für Arbeit noch immer ein System, das Menschen verwaltet, statt sie zu begleiten. Sie hat gelernt, wie Fortschritt aussieht. Nur das Tun übt sie noch.
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Christoph Maria Michalski
Experte bei Sat1 Frühstücksfernsehen und ARD-BRISANT
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